Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Dienstag, 25. Januar 2011

Leider: Paris


Es musste halt wieder einmal sein: Paris. Mit dem TGV von Bern nach Paris, direkt, das ist eine feine Sache; wieso es in umgekehrter Richtung keine direkte Verbindung gibt, das ist hingegen ein Rätsel (und warum ich das blöde Ticket für die Rückreise im Zug liegen liess, ist mir auch schleierhaft). Nun, eben, es war ein geschäftlicher Ausflug nach Paris, und so konnte ich auch das Hotel nicht selber wählen, sondern musste mich auf den Geschmack des Gastgebers verlassen. Und der wählte den so ziemlich übelsten Schuppen, den Paris zu bieten hat: Le Meridien Etoile. 



1054 Zimmer, eine dauernde Baustelle, ein grauenhaft muffiger Gestank in den Gängen (was vom dicken Teppich, der jede Renovierung des Hauses überstanden hat, herrühren dürfte), und dann winzige, völlig überteuerte Zimmer. Ich hatte zudem noch das Glück einer ganz fantastischen Aussicht.



Und abends dann ein formidables Essen. Nein, nicht im Hotel selber, da wäre es wohl noch schlimmer gewesen, sondern im berühmten Pavillon Gabriel. Der kann für Anlässe gemietet werden, dann kommt ein Catering-Service, und dann sollte man sich dringend überlegen, ob man das Haus nicht besser gleich nach dem, oder noch besser: beim Apèro wieder verlässt.

Es gab zuerst: ein Lobster-Soufflé.



Und genau so wie es aussah, schmeckte es auch. Absolut ungeniessbar.

Es folgte ein Spiesslein mit einem Kalbs-Medaillon und einer gefüllten Morchel, dazu Kefen (Févettes) und Pommes Charlotte. Das Fleisch nicht einmal lauwarm, die Morchel wohl zur Strafe, weil ich das Lobster-Soufflé nach einem Bissen angewidert von mir geschoben hatte, mit diesem grauenhaften Zeug gefüllt (aber eh so zäh und muffig wie der Teppich im Hotel), der Jus sehr wässrig, die Kartoffeln unglaublich heiss, die Kefen wahrscheinlich wunderbar, aber ich kann das nicht beurteilen, ich mag keine Kefen.

Das Dessert dann trug den gradiosen Namen «Idée fumante de bombe glacée». Und dabei handelte es sich um irgendein Industrie-Eis vom Grosshändler, geziert von riesigen Stücken von marinierter Birne und Ananas. Optisch eine Katastrophe, diese marinierten Früchte, aber immerhin waren sie geniessbar, denn sonst hätte ich ja den ganzen Abend nichts gegessen. Doch das war ja nicht so schlimm, es blieb mir ja die Vorfreude auf das wunderbare Hotelzimmer.

sorry.

technische und andere probleme.
aber jetzt geht es weiter.

Freitag, 7. Januar 2011

Grundlagen der mexikanischen Küche (9): Die «chicas» von Ciudad de Mexico

Um da mal ein paar Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: Nein, Chili con carne ist nicht das mexikanische Nationalgericht. Es mag dies Bohnenfutter durchaus geben in Mexiko, aber nur in amerikanischen Restaurants; ein Mexikaner würde sich solches nicht antun. Und auch sonst gibt es ein paar Unklarheiten: Ein Taco ist in Mexiko kein knallhartes Chips aus Mais, sondern eine frische Tortilla, schön weich und am besten noch warm, gefüllt mit Fleisch, Fisch, Gemüse, Käse (dann heisst es Quesadilla), ganz nach Gusto. In Europa nennt man die gefüllten «weichen» Tortillas meist Fajita, in den USA heissen sie «Burrito» - solches kennt der Mexikaner zwar auch, meint aber etwas ganz anderes. Für ihn ist der Taco der Quell des Lebens, Tacos gibt es den ganzen Tag, immer, überall, der Mexikaner liebt seinen Taco, und wenn er mal seinen liebsten Strassenverkäufer gefunden hat, dann bleibt er diesem gerne sein Leben lang treu.

Ein Taco ist die mexikanische Form von «Fast Food». Doch sonst ist die mexikanische Küche ungewöhnlich aufwendig - und wird unterschätzt. Lange, bevor die Franzosen auf die gleiche Idee kamen, hatten die Mexikaner bei der UNESCO schon den Antrag gestellt, dass ihre Küche zum Weltkulturerbe erklärt werden muss. Und das nicht zu Unrecht: Mit Ausnahme vielleicht der thailändischen gibt es kaum mehr Landesküchen, die derart speziell, ungewöhnlich und eigenständig sind wie die mexikanische. Es konnten viele Eigenheiten aus der prä-kolonialenZeit bewahrt werden, von den Azteken, Maya, Zapoteken, Raramuri, doch die zusätzlichen Einflüsse aus Spanien, Frankreich, aber auch aus dem arabischen und karibischen Raum gaben der ganzen Geschichte das gewisse Etwas. Dazu kommt, dass Mexiko die Heimat vieler heute beliebter Produkte ist, von Kakao und Vanille etwa, aber auch Tomaten, Mais, Chili, Erdnüsse, Avocado oder der Truthahn stammen aus dem mexikanischen Raum. Dass die Küchen in einem Land mit knapp zwei Millionen Quadratkilometern (sechsmal so gross wie Deutschland) und über 12'000 Kilometern Küstenlinie von Norden nach Süden natürlich stark unterschiedlich sind, das versteht sich von selbst.

Den besten Überblick über die mexikanische Küche erhält man sicher in Mexiko-Stadt, Ciudad de Mexico, und der an den Hauptstadtbezirk (Distrito Federal, von den Mexikanern DF genannt) angrenzenden «Zona Metropolitana del Valle de Mexico». Gut 20 Millionen Menschen leben hier - «chilangos», wie sie von den restlichen Mexikanern despektierlich bezeichnet werden -, was Mexiko-Stadt zu einer der grössten Metropolen der Welt macht. Ein unglaublicher Moloch - in dem die Frauen die Gastronomie beherrschen.

«Titita» ist die Köngin. Seit mehr als 30 Jahren führt Carmen Ramirez Degollado ihr Restaurant «El Bajio» im Stadtteil Azcapotzalco; keine schicke Adresse wie Condesa oder Polanco, und wer sich hier in den wenig gastlichen Norden der Stadt verirrt, dem steht der Sinn nach Abenteuer. Auch auf dem Teller: «Titita» serviert die ganz klassische mexikanische Küche. Die 73-jährige, in edler Würde gealterte Dame, die in ihren traditionellen, sehr farbigen Gewändern durch ihr wunderbar eingerichtetes Lokal stolziert, hat ihr Restaurant zwar nach der Region «Bajio», dem Tiefland rund um die Städte Guanajuato und Queretaro, benannt, doch sie selber stammt aus Veracruz, einer tropisch-heissen Stadt im Süden. Und so kommt denn ein fröhliches Gemisch an Einflüssen aus der Küche. Berühmt sind etwa die «carnitas» (eine kleine Ewigkeit gegartes Schweinefleisch, vergleichbar mit Siedfleisch) oder «barbacoa» (das ganze Lamm wird in Stücke geschnitten und zu einer dicken Suppe verarbeitet; manchmal grüsst auch noch ein Auge...), und es gibt Dutzende Varianten von «empanadas» (gefüllte Tortillas), «chile rellenos» (gefüllte Chili; aber nicht vergleichbar mit profanen Peperoni mit gemeinem Hackfleisch), «mole» (eine spezielle, sehr dicke Sauce mit der eigenartigen Mischung aus Chili und Schokolade...). Das Studium der Karte dauert eine kleine Ewigkeit, und immer wieder gräbt «Titita» aus alten Kochbüchern neue Gerichte aus, die sie den Gästen nicht vorenthalten will. Bestelle drei, erhalte fünf - es ist eine wunderbare Warmherzigkeit, mit der «Titita» ihr Lokal erfüllt. Und sie liebt ausländische Gäste, denen sie mit Händen und Füssen und vielen, vielen Worten alles erklären will.

Bedeutend strenger ist da Patricia Quintana. Sie ist nicht die Königin, aber dafür der Superstar unter den mexikanischen Köchinnen; sie schreibt Bücher, tritt im Fernsehen auf, reist um die Welt, und gilt als einer der wenigen weiblichen Chefs, die es global in die oberste Liga geschafft haben. Gelernt hat sie unter anderem beim göttlichen Fredy Girardet - und heute verbindet sie traditionelle mexikanische Rezepte auf wundersame Weise mit modernsten Techniken und Einflüssen aus aller Welt. Ihr «Izote» im schicken Stadtteil Condesa ist sehr schick, sehr cool - und sehr teuer, nicht nur für mexikanische Verhältnisse. So zickig sie auch manchmal ist, doch wenn sie zur Vorspeise eine Variation von Tamales (eigentlich: ein Maisteig mit Füllung, umhüllt und gekocht in einem Bananenblatt), de queso con epazote, de flor de calabaza, de cuitlacoche, de chanchimitos und de pollo con jitomate auf den Tisch stellt, dann ist man gleich wieder beruhigt. Wie wärs mit «Cordero al vapor en hoja de platano con salsa borracha, salsa de chile mora, salsa verde cruda y salsa de chile ancho con jugo de naranja y tomatillo de milpa con chile de arbol»? Ein im Bananenblatt gedämpftes Lamm mit vier Saucen, drei davon von unterschiedlichen Chili, die dem zarten Fleisch jeweils neue, ganz überraschende Geschmacksnoten entlocken können.

Und so gehen wir weiter zu Gabriela Camara. Gaby ist die hübsche, clevere Prinzessin unter den mexikanischen Gastronominnen. Studiert hat sie Wirtschaft, 1998 eröffnete sie, gerade einmal 22-jährig, ihr erstes Restaurant, das «Contramar», unterdessen sind es sieben, und es werden in DF sowie Guadalajara 35'000 Gäste pro Monat bestens bedient. Camara bezeichnet sich nur als Hobby-Köchin, doch alle Rezepte stammen von ihr; wie bei «Titita» und Quintana basiert ihre Köche auf den langen mexikanischen Traditionen sowie sauberem Handwerk mit qualitativ besten Produkten, doch ihr Erfolgsgeheimnis ist die leichte Verständlichkeit. Der Fisch soll ein Fisch bleiben (auf dem zweitgrössten Fischmarkt der Welt gibt es ja auch die entsprechende Auswahl) und das Fleisch als solches erkennbar, alles ist luftig und leicht, der japanische Einfluss ist gross und erfreulich, schwer verdauliche «mole» oder unendlich aufwendige Geschichten wie «chiles en nogada» (gefüllte Chili mit einer Sauce von Walnüssen und Granatapfelkernen) gibt es bei ihr nicht. Ihre Tostadas de Atun sind ein Traum, süchtigmachend, es gibt fantastische Tacos de Jaiba (Tortillas mit Krebsfleisch) und einen unglaublichen Salpicon de mariscos (Meeresfrüchtesalat).

Und warum beherrschen die Frauen das Geschäft in Mexiko, dem Geburtsland des Machismo? «Titita» sagt: «Wir haben es halt von unseren Müttern gelernt.» Quintana meint, es sei die Geduld, die den Unterschied mache. Und Camara, die Erfolgreiche, will sich die Frage gar nicht erst stellen, sondern wälzt Pläne für ein achtes, neuntes Lokal, und eines in den USA, um auch dort endlich die authentische mexikanische Küche bekannt zu machen.

Eine Name muss unbedingt erwähnt sein, wenn es um die mexikanische Küche geht: Diana Kennedy. Die gebürtige Engländerin lebt seit 51 Jahren in Mexiko - und hat mit einer ganzen Reihe von ausgezeichneten Reiseberichten und Kochbüchern dafür gesorgt, dass viele traditionelle mexikanische Gerichte nicht vergessen gingen. Leider sind ihre Werke nur auf Spanisch und Englisch erhältlich, doch wer etwas über die grossartige Esskultur dieses grossartigen Landes lernen will, dem sei die - auch sehr spannende - Lektüre etwa von «My Mexico» (1998, Clarkson Potter Publishers, New York) empfohlen. Die beste Rezeptsammlung findet sich in «The Essential Cuisines of Mexico» (2000, Clarkson Potter Publishers, New York).



Dienstag, 4. Januar 2011

Grundlagen der mexikanischen Küche (8): «Tequila ist Mexico»





Ab etwa 14 Uhr, da geschieht in Mexiko nicht mehr viel. Selbst in Mexiko-Stadt, der mit wohl etwa 25 Millionen Einwohnern grössten Stadt der Welt, wo die Geschäfte offiziell durchgehend geöffnet bleiben, muss man zwischen 14 und etwa 17 Uhr nichts wollen – in den Banken ist noch ein einziger Schalter offen, und er wird von einem Lehrling bedient, auf den Ämtern ist nicht einmal mehr jemand, der einem sagen würde, dass niemand zu erreichen ist.

Auf dem Land, da herrscht ab 14 Uhr Mittagsruhe, und das macht in vielen Gegenden Mexikos auch Sinn. In Tequila im Bundesstaat Jalisco, zum Beispiel, ist es im etwa acht Monate dauernden Sommer um zwei Uhr nachmittags so drückend warm, dass sich sogar die Fliegen nur noch dem Schatten entlang bewegen; wenn überhaupt. Es ist so heiss, dass man gar nicht daran denkt, in einem der vielen Geschäfte Tequila degustieren zu wollen. Und auch wenn man wollte: Die Geschäfte sind ja geschlossen.



Tequila ist kein Mythos: Tequila ist eine kleine Stadt 50 Kilometer westlich von Guadalajara, der mit etwa fünf Millionen Einwohnern zweitgrössten Metropole von Mexiko. Die Strassen durch Tequila bestehen aus Kopfsteinpflaster, die Kirche stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist ein für mexikanische Verhältnisse angenehm schlichter Bau; auf dem «zocalo», dem Platz, der in jeder mexikanischen Siedlung das Stadtzentrum lokalisiert, küssen sich auf rostigen Bänken junge Paare. Motels für die Verliebten und Untreuen, die sogenannten «movados», die gibt es im beschaulichen Tequila nicht.

Als Tequila 1656 gegründet wurde, da existierte bereits ein Getränk, das dem heutigen Tequila sehr ähnlich war: den Mezcal-Wein. Dieser wurde aus dem fermentierten Saft von Agaven gewonnen, und dann destilliert – den alkoholhaltigen Saft der Agave hatten die indianischen Ureinwohner schon seit wohl Jahrtausenden zu sich genommen (es gibt heute noch so etwas Ähnliches, genannt «pulque»), die Technik der Destillation hatten die einem Schnäpschen – es war damals viel zu gefährlich, Wasser zu trinken – nicht abgeneigten spanischen Konquistadoren aus Europa mitgebracht.

Die erste Destillerie wurde 1795 gegründet, von einem José Maria Cuervo. Das «Casa Cuervo» war von Anfang an sehr erfolgreich, und schon 1850 besass die Familie mehr als 3 Millionen Agave-Pflanzen. 1906 verkaufte Cuervo den ersten Tequila in Flaschen, was dem Schnaps auch ennet der Grenze, in der USA, zum Durchbruch verhalf.



Dass für Tequila ausschliesslich die «blaue» Agave verwendet wird, ist aber nicht «José Cuervo» zu verdanken, sondern dem heute zweitgrössten Hersteller, Sauza, dessen Gründer, der legendäre «tequillero» Don Cenobio, ab etwa 1870 nur noch diese Pflanzenart zur Produktion seines Destillats verwendete. Heute ist Tequila die mit Abstand meistgetrunkene Spirituose in Mexiko – «Tequila ist Mexiko» sagt Carmelita Roman, Witwe eines bekannten Tequila-Produzenten, «es ist das einzige Produkt, mit dem sich unsere gesamte Kultur identifizieren kann.»

Die Produktion von Tequila ist ein komplizierter Prozess. Das Grundmaterial ist nicht wie bei vielen anderen alkoholischen Getränken Getreide, sondern die Agave tequilana weber azul (benannt nach einem deutschen Botaniker, der die Pflanze 1905 klassifiziert hatte); Tequila hat aus diesem Grund auch einen ganz typischen Eigengeschmack, nicht wie etwa Wodka, der nur durch Zugaben so etwas wie Gusto erhält. Die Agave ist nicht, wie allgemein angenommen wird, ein Kaktus, sondern gehört zur Familie der Lilien – die Varietät der tequilana weber azul ist nur eine von weit über 100 Agave-Arten, die in Mexiko wachsen. Andere Agaven werden ebenfalls in alkoholische Getränke verwandelt (Pulque, Mezcal), doch die tequilana weber azul ist die einzige Sorte, die für Tequila verwendet werden darf, und die Herkunftsbezeichnung Tequila ist seit 1977 geschützt.



Die Pflanze braucht mindestens sieben Jahre, bis sie geerntet werden kann. Ein gutbezahlter Spezialist, genannt «jimador», ist für die Ernte verantwortlich, er verwendet dafür selbst hergestellte Werkzeuge. Das Herz der Pflanze, genannt «piña», ist im Durchschnitt 40 Kilogramm schwer (es gibt auch Exemplare mit weit mehr als 100 Kilo), wird dann gesäubert und, zumindest bei der traditionellen Tequila-Herstellung, in grossen Ôfen bei etwa 75 Grad während bis zu 72 Stunden gebacken (daher kommt auch das oft rauchige Aroma von Tequila). Nachdem die jetzt weichen «piñas» für einen Tag auskühlen durften, werden sie zu einem Mus verarbeitet – früher geschah das mit einem Mühlstein, genannt «tahona», heute wird dieser Prozess fast ausschliesslich von Maschinen durchgeführt. Der so entstandene Saft, «aguamiel» – Honigwasser, wird nun unter Zugabe von Hefe fermentiert, dies bis zu 12 Tagen, entweder in Holzfässern oder in Stahltanks. Es folgt eine zweifache Destillation, die erste dauert etwa zwei Stunden, die zweite bis zu vier Stunden.

Ein schlechter Tequila ist etwas Grauenvolles – ein Geruch in der Nase wie ein voller, abgestandener Aschenbecher, im Mund eine fiese Schärfe wie Amoniak. Solche gemeine Tequila sind häufig Billigst-Produkte, «mixtos», denn sie bestehen aus maximal 51% Agave; der Rest ist zumeist aus Zuckerrohr hergestellter Alkohol. Es gibt aber ausgezeichnete «mixto», der vor wenigen Jahren in Europa eingeführte «Olmeca» ist ein Beispiel für einen gut gemachten, günstigen Tequila, auch das klassische Produkt, der José Cuervo Gold (Especial in Mexiko), ist durchaus geniessbar (obwohl er besser für Mix-Getränke verwendet wird). Ein «mixto» muss nicht in Mexiko produziert werden – von Produkten, die nicht mit «hecho in mexico» gekennzeichnet sind, gilt es allerdings unbedingt die Finger zu lassen.



Die Produktebezeichnung «100% Agave» ist selbstverständlich auch kein Güte-Siegel, doch allein schon der bedeutend höhere Material- und Produktionsaufwand garantiert dafür, dass es sich um einem anständigen Tequila handeln wird (die Angaben auf den Etiketten werden übrigens für mexikanische Verhältnisse ausserordentlich streng kontrolliert, von zwei unabhängigen Stellen). Wie beim «Mixto» gibt es auch den «reinen» Tequila in drei verschiedenen Qualitäten: «blanco» (wird direkt von Stahltank in die Flasche abgefüllt), «reposado» (muss mindestens zwei Monate im Fass gelagert sein) und «añejo» (mindestens ein Jahr im Fasss gelagert). Manche Hersteller sind in letzter Zeit wieder vermehrt dazu übergegangen, ihre Produkte als «blanco» anzubieten – wird der Tequila nicht im Holzfass gelagert, dann bleibt er fruchtiger, aromatischer, dann kommt der typische und einzigartige Geschmack der Agave besser zur Geltung.

Der «añejo» ist vor allem als Margentreiber beliebt: Die Preise liegen um rund 200% über jenen von simplem Tequila – die Mehrkosten in der Produktion belaufen sich nach Angaben eines Insiders auf höchstens 20%.

Einen guten, kraftvollen «blanco» wird man vor dem Essen trinken, während die ausgewogeneren, aber auch langweiligeren «resposado» und «añejo» sich eher für nach dem Menu eignen, zu einer Zigarre vielleicht, nach einem starken Kaffee. Selbstverständlich wird ein anständiger Tequila pur getrunken, ungekühlt und ohne Eis, und er braucht beim besten Willen nicht in einem «shot» weggehauen zu werden. Wer auf den Geschmack kommt, der wird einen edlen Tequila bald einem Single-Malt-Whisky oder Cognac gleichsetzen.



Anfang des neuen Jahrtausends befand sich die Tequila-Industrie in einer tiefen Krise. Zwischen 1995 und 2000 stieg der Export zwar von 64,5 Mio. Liter auf fast 100 Mio. Liter, die Gesamtproduktion wurde von 1995 bis 1999 fast verdoppelt. Doch dann begannen der Preis für die Agave zu steigen, obwohl gar keine Verknappung bestand: 2001 betrug der Preis für ein Kilo Agave 16 Pesos, rund 20 Mal mehr als ein halbes Jahrzehnt zuvor. Der Markt hat sich mittlerweile wieder beruhigt, ein Kilo Agave kostet noch 8 Pesos/Kilo – und es bestehen momentan keine Befürchtungen, dass es wieder zu einem Preiskrieg kommen könnte. Das liegt vor allem daran, dass die grossen Produzenten die schwierigen Zeiten genutzt haben, um ihre eigenen Bestände zu vergrössern. José Cuervo, der grösste und weiterhin bekannteste Hersteller, nennt 42 Mio. Pflanzen sein eigen. Als einziger der bekannten Namen ist dieses Unternehmen noch 100-prozentig mexikanisch; im vergangenen Jahr verkaufte die Marke mit dem Raben («el cuervo») im Wappen rund 3,5 Mio. Kisten Tequila, mehr als 30 Mio. Liter. José Cuervo ist ausserdem mit 50% an der Super-Premium-Marke «Don Julio» beteiligt.

Sauza, der zweitgrösste Hersteller hinter José Cuervo, wurde lange Jahre von Qualitätsproblemen geplagt; gleiches gilt für Cazadores. Der derzeit am schnellsten wachsende Tequila-Produzent ist Herradura, der mit einer aggressiven Expansionspolitik die restlichen Hersteller verärgert und verängstigt. Gut im Geschäft ist auch Olmeca, die mit einer der modernsten Produktionsanlagen ein heisses Eisen im Feuer haben. Dass alle bekannten Spirituosen-Hersteller (Allied Domecq, Diageo, Baccardi, Pernod Ricard usw.) am Geschäft mit dem Tequila beteiligt sind, zeigt auf, dass hier Destillate entstehen, die Zukunft haben – und garantiert gleichzeitig, dass der Vertrieb weltweit klappen wird, sobald Tequila auch in Europa in Mode kommt.



Die Chance, sich in der Schweiz schon einmal einen guten Tequila zu Gemüte geführt zu haben, sie ist verschwindend klein: Nur rund 20% aller Tequila bestehen aus den erfolgversprechenden «100% Agave», und davon wiederum wird nur etwa ein Viertel exportiert – und dies fast ausschliesslich in die USA. Die immer grösser werdende amerikanische Fan-Gemeinde ist hingegen wiederum dafür verantwortlich, dass auch kleine Produzenten von sogenannten «Boutique Tequila» nicht bloss überleben können, sondern eine immer internationalere Kundschaft finden – und folglich mehr produzieren. In Los Angeles, San Francisco, New York und Detroit gibt es teilweise schon seit Jahren Bars, die ausschliesslich eine hochklassige Auswahl von Tequila servieren; die erste «Cantina» in diesem Stil hatte kürzlich auch in Tokio ihre Premiere. Es wird also nicht mehr lange dauern, bis auch die Europäer - endlich - auf den Geschmack kommen.

Montag, 3. Januar 2011

Jetzt aber: Brühe




Jahresbeginn, und das ist ein guter Zeitpunkt, mich mal wieder mit den elementaren Dingen zu beschäftigen. Und ganz elementar ist, wenn man selber kocht: die Brühe. Der Fond. Sans fond perdu, oder so.

Damit ich wieder ins Thema reinkomme, beginne ich mit einer leichteren Übung: der Hühner-Brühe. Leichter, also einfacher deshalb, weil sie etwa im Gegensatz zum Kalbsfond keine 12 Stunden braucht, sondern mit vier, fünf Stunden ganz zufrieden ist. Dass die Küche nachher trotzdem aussieht wie Sau, das ist bei mir einfach so, das muss so sein, sonst habe ich das Gefühl, nicht ernsthaft genug ins Geschehen eingegriffen zu haben.

Also: Man nehme ein Huhn. Ich bestelle bei meinem Metzger jeweils ein Suppen-Huhn, das Ding darf schon etwas älter sein, eines, das man nicht mehr unbedingt als «Güggeli im Körbli» servieren würde (was mir eh nie in den Sinn kommen würde, nur schon diese poppelige Bezeichnung); wie beim «Coq au vin» darf es gern ein männliches Vieh sein, die haben einfach mehr Schmackes. Dann wird das Tier zerteilt, was eigentlich gar nicht unbedingt sein müsste, aber ich kann dann endlich wieder einmal mit meinem wunderbaren, thailändischen Hackebeil arbeiten, und das ist für mich Grund genug.



Nochmals von vorne, die Zutaten:
- ein Suppen-Huhn, mindestens 1 Kilo, besser: mehr
- 2 Teelöffel Tomatenmark (warum? ich erklär es gleich)
- 3 Rüben, halbiert, geviertelt
- 1 anständige Zwiebel
- 2 Stangen Bleich-Sellerie (oder eine Knolle, gewürfelt)
- ein kleiner Kohl
- eine Stange Lauch
- 4 Lorbeerblätter
- ein paar schwarze Pfefferkörner (wer es genauer will: 8)
- Wacholderbeeren
- Nägeli (um ganz genau zu sein: 3)
- ich geb dann jeweils noch zwei Chili-Schoten bei, für die erste Stunde, aber das muss nicht sein.
- ein grosser Topf mit mindestens 7 Liter Fassungsvermögen



Die Zubereitung:
- den Ofen auf 220 Grad vorheizen.
- das Huhn zerteilen - das ist der Teil, der wirklich Spass macht. die Teile in einen Bräter legen, den Bräter in den Ofen legen, 20 Minuten brutzeln lassen.
- die Hühnerteile aus dem Ofen nehmen, mit dem Tomatenmark bestreichen, dann nochmals für 5 Minuten ab in den Ofen. das macht sonst niemand, und ich weiss auch nicht, ob es wirklich etwas bringt, aber es sieht ausgezeichnet aus.
- die Hühnerteile wieder aus dem Ofen nehmen - und im grossen Topf, der mit 6 Liter Wasser gefüllt ist, versenken. das Gemüse und die Kräuter zugeben.
- jetzt mal kräftig durchatmen, denn der grösste Teil der Arbeit ist bereits vollbracht. vielleicht ein Glas Weisswein trinken.
- wichtig ist jetzt, die ganze Geschichte schön langsam zu erhitzen. die Flüssigkeit soll nicht kochen, nie, aber immer kurz davor stehen; dem sagt man dann «simmern».
- in praktisch allen Kochbüchern steht als nächster Schritt: Verunreinigungen wie Schaum oben abschöpfen. ich habe eigentlich nie Verunreinigungen oder Schaum. aber falls man sie dann hat: abschöpfen. all die Kochbücher können nicht irren.
- diese Brühe mindestens 4, besser 5 Stunden ziehen lassen. dann stellt man sie zur Seite, lässt sie etwas abkühlen: dadurch fallen die festen Bestandteile auf den Boden des Topfs.
- die Brühe, den Fond jetzt langsam und sorgfältig durch ein Sieb giessen. und nochmals. und nochmals. wenn Sie ganz streng sein wollen, dann legen Sie ein Küchenpapier ins Sieb, dann wird die Brühe ganz klar.
- nicht sofort verwendete Brühe in Behälter umgiessen, die sich tiefkühlen lassen. sinnvollerweise in Grössen, die sich dann auch wieder verwenden lassen, zum Beispiel für einen Risotto.

Das ist alles ist nun keine Hexerei, das kann jeder Banause. Dachte ich. Als ich dann meine Brühe nach fünf Stunden «Simmern» probierte, war sie so fad wie ein Häagen-Dazs-Sorbet. Was hatte ich falsch gemacht? Keine Ahnung. Zwei Stunden später probierte ich den Fond noch einmal. Schon besser. Und als ich am folgenden Morgen meinen Finger noch einmal in die Brühe hielt, das eine Gefäss, das ich noch nicht in den Tiefkühler geworfen hatte, da war ich ganz zufrieden.

Am nächsten Wochenende dann: Kalbsfond. Vielleicht sogar Demi-glace, so, wie sie uns Claudio Del Principe, sicher einer der fröhlichsten Food-Blogger deutscher Sprache (http://www.anonymekoeche.net), propagiert. Mal schauen.

Speis und Trank, 3.1.2011




Frühstück:
nix.

Mittagessen (office):
nix.

Nachtessen (bei Kollegen):
so eine Art mexikanisch, mit diesen trockenen Tortillas aus dem Reformhaus, als Füllung etwas mit Chili, Zwiebeln, Knoblauch, Sojasauce aufgepepptes Hühnerfleisch aus der am Sonntag zubereiteten Brühe, Rindshuft, ganz schnell angebraten, Reis und die üblichen Verdächtigen, Gurken, Peperoni, Sauerrahm, Zwiebeln.
zum Dessert: Solothurner-Torte
Rotwein: Bauza, 2007

dazwischen:
12 Espressi
Callier-Branchli

Anonyme Köche - das etwas andere Kochbuch




Manchmal nervt er, dieser Claudio Del Principe. Manchmal ist er einfach ein grauenhafter Besserwisser. So einer mit erhobenem Zeigefinger, macht dies, macht das, und wenn ihr es nicht so macht, dann macht ihr es einfach falsch. Und ausserdem wirft er auf oder in so ziemlich alles, was er kocht, glatte Petersilie. Meistens gehackt.

Dafür trägt Claudio Del Principe sehr gute Anzüge. Und so ein schickes Bärtchen. Trotz wohlklingendem Namen ist er Schweizer. Selbstverständlich mit italienischen Wurzeln. Und das sieht man dem Mann, der sich seine Bistecche fiorentine als Werbetexter verdient, auch an, am Anzug, am Bärtchen, an dieser schönen Form von charmanter Eleganz, wie sie halt nur Italiener haben. Und auch daran, wie er spricht: immer auch mit den Händen. Und den Augen.

Wir treffen Claudio Del Principe im Basler «Trois Rois». Es ist eigenartig, wenn ein Mann mit italienischem Schick Baseldeutsch spricht, aber daran kann man sich gewöhnen. Das «Trois Rois» scheint Del Principe zu mögen, er hat auch schon darüber geschrieben, über ein Fünf-Sterne-Frühstück: «Und im Trois Rois scheint die Zeit - trotz kürzlicher Totalrenovation - tatsächlich ein wenig still zu stehen. An einem Fensterplatz kommt fast so was wie Titanic-Feeling auf, wenn beim Gespräch Rhein und Zeit vorbeiziehen. Nur It-Girls und Glam-People sind nicht an Bord - man sitzt praktisch in der Business-Class und nach neun fast allein im Raum.»

Er hat dann auch noch eine kleine Anekdote dazu verfasst: «Der Kellner ist nicht unfehlbar, aber dafür sehr humorvoll: Als er nach der Zimmernummer fragt, gebe ich ihm irgendeine an. Er notiert, dankt und geht. Als ich ihn aufkläre, dass wir auswärtige Gäste seien, lacht er und bedankt sich nochmals. Das komme fast wöchentlich vor - nur, dass es die Leute im Gegensatz zu uns dann auch durchziehen. Was gibt es nur für Arschlöcher auf dieser Welt?» Das ist der Stil von Del Principe: sehr frisch von der Leber weg. Es gibt viele Idioten und Arschlöcher und ähnliches in seinen Texten.

Er erzählt, wie alles angefangen hat, von seinen Kollegen Patrick und Comenius. Wie sie zu dritt ihre Kollegen in der Werbeagentur nervten (sic!) mit ihrem Dauergesülze über das Kochen, Essen, Trinken, Kochen, Essen, Kochen, sich dabei fühlten wie Anonyme Alkoholiker - und so auf die Idee des Blogs kamen, www.anonymekoeche.net. Patrick und Comenius sind nicht mehr dabei, doch das tut der Schreibwut und dem Kochwahn von Del Principe keinen Abbruch, wohl eher im Gegenteil. Er kocht tatsächlich, dauernd, und das ist eine der Qualitäten seiner Beschreibungen: er weiss, von was er schreibt. Unter den Hunderten oder Tausenden von Food-Blogs auf dem Internet ist das Werk von Del Principe einer der erfolgreichsten, auch besten. Komplett werbefrei, nur in eigener Sache wirbt der Werber, also für sein Buch.

Das kann man kaufen. Oder auch nicht. Sämtliche Stories im Buch sind auch auf dem Netz zu lesen, wer also sparen will, der kann es lassen. Doch es macht halt schon auch Spass, die Elaborate des Claudio Del P. in gedruckter Form in der Hand zu halten - es ist eines dieser Werke, die sich bestens als Toiletten-Lektüre eignen. Man kann es immer wieder aufschlagen, hier, dort, sich amüsieren. Oder nerven. Meine Gäste scheinen es zu mögen, schon manch eine «Sitzung» dauerte länger als unbedingt nötig. Und nachher gab es dann so einiges zu plaudern - ein höheres Lob kann einem Buch kaum gemacht werden.

Ach, er ist charmant, der Claudio. Und höflich. Und gut erzogen. Und belesen. Und klug. Eigentlich wollten wir beim Kaffee im «Trois Rois» ja über sein Buch reden, warum überhaupt ein Buch (er wurde angefragt vom Verlag), hat es Erfolg (ja), ist er stolz darauf (ja), wird daraus eine ganze Reihe (schön wär's), doch wir schweifen immer wieder ab, reden über Metzger, Côte de Boeuf, Espressi, den Petermann, die Grandits, die Abruzzen. Er hat immer etwas zu sagen, der Schreibwütige und Kochwahnsinnige, und es hat immer Hand und Fuss. Wir wollten ihn auch auf die glatte, nervige Petersilie ansprechen, doch das haben wir dann glatt vergessen.

Kurz bevor wir Del Principe trafen, hatte er auf www.anonymekoeche.net die Hosen runtergelassen. Auf seinem Blog über «10 ganz, ganz schlimme Dinge, die ich mir tatsächlich selten bis oft antue» geschrieben. Also: «1. Mc Donald‘s. 2. Löslicher Kaffee oder Plörre aus dubiosen Kaffee-Automaten. 3. IKEA Restaurant.
4. Beutelsuppe.
5. Scheiblettenkäse. 6. Beutelsalat.
7. Kartoffelstock aus der Packung. 8. Ofen-Frittes.
9. Mayonnaise aus der Tube. 10. Cola Light oder Zero.» Er war dann fast so ein bisschen nervös, als er uns um einen Kommentar bat. Den mussten wir ihm verweigern, mit «Kartoffelstock aus der Packung»-Fressern ist ja nicht zu diskutieren. Zumindest nicht über soche Themen. Da nützt auch der schönste italienische Anzug nichts. Wie schon geschrieben, manchmal nervt er, der Del Principe. Und doch lesen wir seinen Blog immer wieder mit Genuss, Freude, einem Lächeln im Gesicht. Und sein Buch auch.

Buch:
Claudio Del Principe, Anonyme Köche, Gräfe und Unzer, München, 2009, 35 Franken.

PS: Anscheinend hat dem Herrn Del Principe unsere Buchbesprechung, die wir schon einmal veröffentlicht hatten, einst, nicht besonders gefallen. Ansonsten hat er jeden Zweizeiler über sein Buch aufgenommen unter http://www.anonymekoeche.net, doch dies Ding nicht. Egal, wir lesen ihn trotzdem mit Freud'.