Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Montag, 3. Januar 2011

Anonyme Köche - das etwas andere Kochbuch




Manchmal nervt er, dieser Claudio Del Principe. Manchmal ist er einfach ein grauenhafter Besserwisser. So einer mit erhobenem Zeigefinger, macht dies, macht das, und wenn ihr es nicht so macht, dann macht ihr es einfach falsch. Und ausserdem wirft er auf oder in so ziemlich alles, was er kocht, glatte Petersilie. Meistens gehackt.

Dafür trägt Claudio Del Principe sehr gute Anzüge. Und so ein schickes Bärtchen. Trotz wohlklingendem Namen ist er Schweizer. Selbstverständlich mit italienischen Wurzeln. Und das sieht man dem Mann, der sich seine Bistecche fiorentine als Werbetexter verdient, auch an, am Anzug, am Bärtchen, an dieser schönen Form von charmanter Eleganz, wie sie halt nur Italiener haben. Und auch daran, wie er spricht: immer auch mit den Händen. Und den Augen.

Wir treffen Claudio Del Principe im Basler «Trois Rois». Es ist eigenartig, wenn ein Mann mit italienischem Schick Baseldeutsch spricht, aber daran kann man sich gewöhnen. Das «Trois Rois» scheint Del Principe zu mögen, er hat auch schon darüber geschrieben, über ein Fünf-Sterne-Frühstück: «Und im Trois Rois scheint die Zeit - trotz kürzlicher Totalrenovation - tatsächlich ein wenig still zu stehen. An einem Fensterplatz kommt fast so was wie Titanic-Feeling auf, wenn beim Gespräch Rhein und Zeit vorbeiziehen. Nur It-Girls und Glam-People sind nicht an Bord - man sitzt praktisch in der Business-Class und nach neun fast allein im Raum.»

Er hat dann auch noch eine kleine Anekdote dazu verfasst: «Der Kellner ist nicht unfehlbar, aber dafür sehr humorvoll: Als er nach der Zimmernummer fragt, gebe ich ihm irgendeine an. Er notiert, dankt und geht. Als ich ihn aufkläre, dass wir auswärtige Gäste seien, lacht er und bedankt sich nochmals. Das komme fast wöchentlich vor - nur, dass es die Leute im Gegensatz zu uns dann auch durchziehen. Was gibt es nur für Arschlöcher auf dieser Welt?» Das ist der Stil von Del Principe: sehr frisch von der Leber weg. Es gibt viele Idioten und Arschlöcher und ähnliches in seinen Texten.

Er erzählt, wie alles angefangen hat, von seinen Kollegen Patrick und Comenius. Wie sie zu dritt ihre Kollegen in der Werbeagentur nervten (sic!) mit ihrem Dauergesülze über das Kochen, Essen, Trinken, Kochen, Essen, Kochen, sich dabei fühlten wie Anonyme Alkoholiker - und so auf die Idee des Blogs kamen, www.anonymekoeche.net. Patrick und Comenius sind nicht mehr dabei, doch das tut der Schreibwut und dem Kochwahn von Del Principe keinen Abbruch, wohl eher im Gegenteil. Er kocht tatsächlich, dauernd, und das ist eine der Qualitäten seiner Beschreibungen: er weiss, von was er schreibt. Unter den Hunderten oder Tausenden von Food-Blogs auf dem Internet ist das Werk von Del Principe einer der erfolgreichsten, auch besten. Komplett werbefrei, nur in eigener Sache wirbt der Werber, also für sein Buch.

Das kann man kaufen. Oder auch nicht. Sämtliche Stories im Buch sind auch auf dem Netz zu lesen, wer also sparen will, der kann es lassen. Doch es macht halt schon auch Spass, die Elaborate des Claudio Del P. in gedruckter Form in der Hand zu halten - es ist eines dieser Werke, die sich bestens als Toiletten-Lektüre eignen. Man kann es immer wieder aufschlagen, hier, dort, sich amüsieren. Oder nerven. Meine Gäste scheinen es zu mögen, schon manch eine «Sitzung» dauerte länger als unbedingt nötig. Und nachher gab es dann so einiges zu plaudern - ein höheres Lob kann einem Buch kaum gemacht werden.

Ach, er ist charmant, der Claudio. Und höflich. Und gut erzogen. Und belesen. Und klug. Eigentlich wollten wir beim Kaffee im «Trois Rois» ja über sein Buch reden, warum überhaupt ein Buch (er wurde angefragt vom Verlag), hat es Erfolg (ja), ist er stolz darauf (ja), wird daraus eine ganze Reihe (schön wär's), doch wir schweifen immer wieder ab, reden über Metzger, Côte de Boeuf, Espressi, den Petermann, die Grandits, die Abruzzen. Er hat immer etwas zu sagen, der Schreibwütige und Kochwahnsinnige, und es hat immer Hand und Fuss. Wir wollten ihn auch auf die glatte, nervige Petersilie ansprechen, doch das haben wir dann glatt vergessen.

Kurz bevor wir Del Principe trafen, hatte er auf www.anonymekoeche.net die Hosen runtergelassen. Auf seinem Blog über «10 ganz, ganz schlimme Dinge, die ich mir tatsächlich selten bis oft antue» geschrieben. Also: «1. Mc Donald‘s. 2. Löslicher Kaffee oder Plörre aus dubiosen Kaffee-Automaten. 3. IKEA Restaurant.
4. Beutelsuppe.
5. Scheiblettenkäse. 6. Beutelsalat.
7. Kartoffelstock aus der Packung. 8. Ofen-Frittes.
9. Mayonnaise aus der Tube. 10. Cola Light oder Zero.» Er war dann fast so ein bisschen nervös, als er uns um einen Kommentar bat. Den mussten wir ihm verweigern, mit «Kartoffelstock aus der Packung»-Fressern ist ja nicht zu diskutieren. Zumindest nicht über soche Themen. Da nützt auch der schönste italienische Anzug nichts. Wie schon geschrieben, manchmal nervt er, der Del Principe. Und doch lesen wir seinen Blog immer wieder mit Genuss, Freude, einem Lächeln im Gesicht. Und sein Buch auch.

Buch:
Claudio Del Principe, Anonyme Köche, Gräfe und Unzer, München, 2009, 35 Franken.

PS: Anscheinend hat dem Herrn Del Principe unsere Buchbesprechung, die wir schon einmal veröffentlicht hatten, einst, nicht besonders gefallen. Ansonsten hat er jeden Zweizeiler über sein Buch aufgenommen unter http://www.anonymekoeche.net, doch dies Ding nicht. Egal, wir lesen ihn trotzdem mit Freud'.

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