«Feinkost Käfer» ist seit über 75 Jahren die erste Adresse in München für Delikatessen. Berühmt wurde der «Käfer» in den 80er Jahren, als die feine Adresse an der Prinzregentenstrasse begann, die Münchner «Bussi-Gesellschaft» mit den entsprechenden kulinarischen Genüssen zu beliefern, nicht nur Champagner, sondern auch die Austern dazu, den Kaviar, den Hummer. Heute gehört «Feinkost Käfer» sicher europaweit zu den besten Adressen für ausgezeichnete Lebensmittel, verfügt über einen ausgezeichneten Party- und Catering-Service, verpflegt den deutschen Bundestag, bewirtet das edelste Zelt auf dem Münchner Oktoberfest. Beim «Käfer» sind alle schick und cool und sehen gut aus und riechen auch so, nicht nur die Kunden, sondern auch die Angestellten.
Auch Andreas Schinharl ist ein Angestellter von «Käfer». Chefkoch für das legendäre Oktoberfest-Zelt, und auch Chefkoch des hochgelobten Party-Service. Andreas Schinharl ist ebenfalls ein cooler Typ, schwarze, mit Gel nach hinten gezwungene Haare, ein schickes Bärtchen. Doch Schinharl ist auch gelernter Metzger, er hat die entsprechende Postur, er ist ein schnellsprechender, tempramentvoller Berg von einem Mannsbild – und er tritt an, um den deutschen Feinschmeckern den Genuss von Grund auf neu zu lehren.
Schinharl beherrscht sein Handwerk. Geboren und aufgewachsen in Schaubing, zog es den Metzger nach seiner Lehre in die Küche, und er lernte schell und anscheinend gut, immerhin arbeitete er im vom Guide Michelin mit Sternen gekrönten «Bareiss» in Baiersbronn im Schwarzwald, dann bei Reto Mathis in St.Moritz, auch nicht die leichteste Aufgabe für einen Koch. Seit 2006 steht er nun in Diensten von «Feinkost Käfer»
Gerade hat er unter diesen «Käfer»-Label in der umtriebigen Rolf Heyne Collection ein Kochbuch veröffentlicht, «Einfach gut bayrisch». Auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches, ein schön gemachtes Buch mit sehr schönen Bildern und guten Rezepten, die leicht verständlich sind und reizen, das eine und auch andere Gericht selber einmal am heimischen Herd zu versuchen. Und doch birgt es eine Menge Zündstoff. Denn Schinharl will weg von den «globalen» Delikatessen, keine bretonischen Hummer mehr und auch keinen iranischen Kaviar propagiert er, sondern Würste aus Hof, auf einem kleinen Hof in Neuerding aufgezogene Gänse, und den Ochsen, der auf einer Weide in der Nähe von Kitzbühl ein glückliches Leben führen durfte.
Und Schinharl macht das mit einer Kraft, mit einer Konsequenz, die begeistert, die ansteckend sind. Natürlich ist er nicht der erste Koch, der für saisonale und reionale Produkte einsteht, doch Schinharl macht das in seiner Funktion als führender Koch von «Käfer». Das bedeutet, dass er sicher mehr Publicity erhält als jeder noch so hoch gelobte Koch, der sein Fleisch nur beim lokalen Metzger bezieht und in seiner Küche am liebsten Gemüse aus der Umgebung verarbeitet. Es bedeutet auch, dass er für seine Pläne schon einmal ein breites Publikum vorfindet – und dass er dadurch auch über ein Budget verfügt, mit dem er etwas bewegen kann. Das braucht er auch, denn Schinharl redet nicht nur von regionalen, gesunden Produkten, er macht auch etwas dafür.
Gerade ist er daran, für «Käfer» eine eigene Fleischproduktion auf die Beine zu stellen. Glückliche Rindviecher, die auf einer bayrischen Alm Zeit ihres Lebens friedlich grasen können, keinen Stress haben. Ein «Bio»-Label interessiert Schinharl dabei nicht: «Wir werden mit gesundem Menschenverstand arbeiten, darum geht es doch.» Er hat schon einige Produzenten gefunden, die seinen Vorstellungen entsprechen, etwa den Josef Mayr, einen Schweinezüchter: «Wenn ich ihn fragen würde, dann könnte er mir den Namen eines jeden seiner Schweinchen nennen.» Und dann schimpft er gegen Dinge wie Bio-Reis aus China, fragt sich, wie ein Produkt noch «Bio» sein will, nachdem es um die halbe Welt transportiert worden ist.
Schinharl, der lange in der Schweiz gearbeitet hat, lobt die Schweizer Köche, Produzenten und auch Gäste: «In der Schweiz geniessen die Köche eine viel bessere Ausbildung als bei uns. Und die Konsumenten sind viel mehr daran interessiert, was genau sie auf den Tisch bekommen. Bei uns in Deutschland wird immer noch das beste Öl ins Auto geschüttet, nicht auf den Salat.» Ob sich Schinharl mit solchen Aussagen bei seinen «Käfer»-Kunden besonders beliebt macht, das müssen wir ihm überlassen.
Doch er will auch bei der Delikatessen-Ikone in München so einiges bewegen. Er plant gerade ein Restaurant, das weg soll von den weissen Tischtüchern und der überbordenden Dekoration, weg von komplizierten Gerichten, hin zu den einfachen Genüssen. «Man darf ja davon ausgehen, dass ein guter Koch auch gut kochen kann», sagt er, «doch die besten Köche werden in Zukunft jene sein, die mit den besten Produkten arbeiten können und wollen.» Wie das funktionieren kann, beweist er Jahr für Jahr auf dem Oktoberfest, wo er einen sensationellen Gänsebraten serviert. Die Tiere dafür bezieht er vom Geflügelhof Lugeder in Neuerding, Landkreis Altötting; dort dürfen die Gänse Zeit ihres Lebens auf dem freien Feld leben, Tag und Nacht, ihr Futter finden sie auf eigens für sie angebauten Getreidefeldern.
Anderthalb Jahre hat Schinharl an «Einfach gut bayrisch» gearbeitet. Die Inspiration für die Rezepte fand er oft in altbayrischen Traditionen, die Millirahm-Suppe, die hat schon seine Grossmutter so gemacht, «das ist ein ganz logisches Rezept», erzählt er, «die Menschen hatten ja früher keinen Kühlschrank, da wurde die Milch schnell mal sauer, aber weggeworfen wurde nichts». Natürlich interpretiert Schinharl die Gerichte neu, fügt Überraschendes dazu, sucht nach Kombinationen und Harmonien, doch das gehört zum Handwerk. «Kochen», sagt er, «ist ein uraltes Kulturgut. Bloss haben wir viel davon vergessen.» Dann sagt er auch noch, dass die derzeitige Krise auch ihr Gutes hat, «die Menschen sitzen wieder mehr daheim zusammen, im Kreis der Familie, da erhält das Essen eine ganz andere Qualität.»
Dem will er auch in seinem Kochbuch Rechnung tragen, viele der vorgeschlagenen Gerichte verlangen nach einem hohen Zeitaufwand. «Ungeduld», doziert er, «ist der grösste Fehler, den ein Koch machen kann, das sagte schon Bocuse». Und deshalb propagiert er viel «G’schmortes», hier trenne sich der Spreu vom Weizen, «das ist nichts für Köche, bei denen sogar das Wasser noch anbrennt.»
Das Buch
Käfer – Einfach gut bayrisch, Rolf Heyne Collection, München, 51.90 Franken
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