Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Freitag, 10. Dezember 2010

Kwangjang-Markt - von Mandu und Gimchi




Die Frage, warum denn gewisse Märkte so früh beginnen müssen, habe ich mir noch gar nicht gestellt. Warum eigentlich muss man in Rungis mitten in der Nacht antanzen? Warum für einen Besuch des Tsujiki-Marktes in Tokio schon um 5 Uhr morgens vor Ort sein?



Denn es gibt auch ganz andere Beispiele, die Mutter aller Märkte, jener im mexikanischen Guadalajara, öffnete seine Tore nicht vor 9 Uhr, der Fischmarkt von Mexico-Stadt, der zweitgrösste der Welt, wird auch erst so um diese Zeit lebendig. die wunderbare Boqueria in Barcelona ist am schönsten über Mittag.



Um sieben, hiess es, müssten wir in Kwangjang sein, dem grössten öffentlichen Markt von Seoul. Das waren wir dann auch - nur waren wir da noch ziemlich allein. Ein paar Stoff- und Teddybärenhändler öffneten gerade ihre Augen und Geschäfte, zwei, drei Fischhändler hatten ihre Ware auch schon ausgelegt (wohl, weil sie noch von gestern war), hier und dort dampfte ein Gericht auf einem Gaskocher.



So ein bisschen enttäuscht waren wir schon, wir hatten uns mehr Trubel versprochen. Und überhaupt: Kwangjang ist winzig dafür, dass es der grösste Markt dieser 15-Millionen-Stadt sein soll.



Aber halt irgendwie: nett (nein, wir meinen das hier nicht im Sinne von: nett ist die kleine Schwester von Sch...). Die Menschen sind ausgesprochen höflich, auch wenn sie über die drei Langnasen lachen, die sich schon so früh am Morgen auf den quasi leeren Markt verirrt haben. Aber sie sind freundlich und hilfsbereit und erklären uns auch trotz unüberbrückbarer Sprachbarrieren, wie die Dinge heissen, die sie verkaufen.



Wie sie genau heissen? Keine Ahnung, das Koreanische hat etwas von einer Halskrankheit. Nur etwas kann ich mir merken, als mich zwei alte Frauen zu sich winken und mir zuerst Stäbchen, dann etwas, was sie auf einem Alu-Papier heiss halten, anbieten: Mandu.



Ich hatte noch nie Mandu, ich wusste nicht, was es ist - aber es schmeckte gut. Vielleicht etwas scharf im Abgang. Aber spannende Textur, ähnlich wie ein Dim Sum, aussen einigermassen weich und doch etwas knusprig, innen dann: Überraschung!



Was sich genau in diesem Mandu befand, das mir die alten Damen angeboten hatten, liess sich nicht mehr feststellen, aber es schmeckte so gut, dass ich meine Begleiter den ganzen Morgen mit dem Wunsch nach zusätzlichen Mandu nervte.



Die Mandu gibt es in zwei Varianten, habe ich unterdessen gelernt: gekocht, dann werden sie aus Nudelteig gemacht. Und frittiert, so wie ich sie hatte, dann entstehen sie aus Eierteig, dann werden sie «gunmandu» genannt. Die Füllung, erzählt mir meine Quelle, sei eigentlich immer Hackfleisch. Und eigentlich hätte noch etwas Sojasauce zum vollendeten Genuss gehört.



Doch die wohl berühmteste (und auch meisten gefürchtete) Spezialität der koreanische Küche ist: Kimchi. Wobei, das heisst anscheinend ja: Gimchi. Typischerweise sind Gimchi gesalzene Chinakohl-Blätter, die in einer Fischsauce (oder schon fermentiertem Fisch, jeotgal) eingelegt und mit fein gehackten Zutaten, etwa Frühlingszwiebeln, Rettich, Ingwer, Chili und Knoblauch gewürzt werden.



Das Teufelszeugs beginnt zu fermentieren - wissenschaftlich: Milchsäure-Gärung! - und nimmt nach ein paar Tagen einen ganz eigenartigen Geschmack an. Den man mag - oder halt eben nicht. Es muss auch nicht immer Chinakohl sein, auch weisse Rüben gehen (jonggak gimchi), Knoblauch (buchu gimchi), Rettich (kqgdugi, oder so). Und natürlich hat jede Hausfrau, jeder Restaurant-Koch sein ganz eigenes Rezept. Da kann es in Sachen salzig oder scharf oder sehr, sehr, sehr scharf stark variieren.



Als ich vor bald 20 Jahren zum ersten Mal in Korea war, da war bei mir gar nix mit Gimchi. Ich hatte es probiert - und für absolut ungeniessbar deklariert, nie, nie wieder würde ich das essen. Doch unterdessen, nach etwa einem halben Dutzend Reisen nach Südkorea, kann ich damit leben.



Grad so portionenweise werde ich es nie futtern, aber als eine Art Gewürz, da hat Gimchi definitiv etwas. So ein bisschen knusprig gebratener Bauchspeck (noch so ein Lieblingsgericht der Südkoreaner) erhält mit scharfem Gimchi eine ganz neue Komponente, ausgezeichnet.



Auf dem Kwangjang-Markt gibt es Gimchi allerorten, teilweise in riesigen Töpfen, aber auch als edle Spezialitäten. Man kann auch zusehen, wie ältere Damen den Kohl wässern, die Zutaten fein hacken, alles liebevoll für die Fermentation vorbereiten.



Und natürlich hat jede Fressbude mindestens ein halbes Dutzend verschiedene Gimchi zur Auswahl, der Kenner und Liebhaber weiss, wo er seine Favoriten kriegt. Ob ich je so sehr auf den Gimchi-Geschmack kommen werde, wage ich aber zu bezweifeln.


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