Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Grundsätzliches: die französische Küche


Meine Ehrfurcht vor der ganz grossen französischen Küche ist - eigentlich - riesig. Marc Meneau ist für mich immer noch einer der grössten Köche aller Zeiten, obwohl er anscheinend ganz grobe finanzielle Schwierigkeiten hat. Auch Alain Ducasse, bei dem ich schon ein paar Mal in der Küche essen durfte, ist für meine Begriffe so etwas wie ein Genie; vor gefühlten 100 Jahren durfte ich mein allererstes 3-Michelin-Sterne-Mahl in seinem «Louis XV» in Monaco geniessen, und es war eine Offenbarung. Ich kenne noch so ein paar andere 3-Sterne-Häuser, von denen ich das eine oder andere auch mag (Alain Passard in seinem «L'Arpège» in Paris etwa), andere aber als schwer überschätzt empfinde (Yannick Allenos im «Le Meurice», ebenfalls in Paris). Doch oben, ganz oben, da sind die Franzosen halt immer noch kleine Götter, da macht ihnen so schnell wohl niemand etwas vor.

Doch dann lässt es ganz grob nach. Zwar kann man sich noch recht gut richten nach den «Bib Gourmand»-Häusern im Guide Michelin, dort wird man meist eine anständige Terrine zur Vorspeise erhalten oder ein feines Süppchen oder einen Coq au Vin, der fast so gut schmeckt wie daheim. Auch ein guter Tipp ist, sich an den jeweils neu mit einem Stern ausgezeichneten Häusern sowie den Aufsteigern zu orientieren, dort geschehen oft spannende Dinge. Aber, wenn wir schon bei den Sternlein sind: jene Häuser, die seit Jahren mit zwei oder einem Stern ausgezeichnet werden, die kann man bestens meiden, dort sind Aufwand und Preise gewaltig, und meist auch die Enttäuschung über die Leistung. Einverstanden, wir sollen nicht verallgemeinern, aber ich könnte eine lange Liste von Restaurants schreiben, auf die meine Theorie zutrifft.

Weil wir nun ja aber nicht jeden Tag Sternchen fressen können, sondern halt meist eher die Mittelklasse heimsuchen müssen, haben wir mit der französischen Küche ein grosses Problem: es gibt sie nämlich kaum, die Mittelklasse, die sich auch Menschen leisten können, die für ihr Einkommen noch arbeiten müssen. Sehr, sehr gut - oder dann grauenhaft, etwas anderes gibt es in Frankreich fast nicht.


Kürzlich, «la Table de Pierre» unterhalb von St. Paul-de-Vence, einst mit einem Stern ausgezeichnet, im nicht ganz günstigen Hotel «le Mas de Pierre». Zuerst wurde ein Risotto (einverstanden, nicht unbedingt ein französischer Klassiker) serviert mit ein paar Müschelchen und Mascarpone. Aber irgendwie muss sich der Koch an den Zwiebeln vergriffen haben, die Mischung Reis/Zwiebeln war etwa eins zu eins, dazu die Zwiebeln zu matschig, der Reis zu hart. Es folgte ein Kalbssteak, viel zu trocken, dazu fast kein Jus, um die Fleischwüste ein bisschen erträglicher zu machen; die Gemüse lieblos, komplett verloren auf dem Teller, kein Zusammenhang, keine Ergänzung, keine Freude. Das Dessert unter der typisch französischen Bezeichnung «Creamy lemon glass» ein weitere Enttäuschung, unten irgendwelche Mürbeteigbrösmel, in der Mitte wahrscheinlich ein Zitroen-Sorbet, oben etwas Schlagrahm, alles völlig unmotiviert zusammengeworfen.



Am nächsten Tag das Mittagessen, in der einst berühmten «la bourride» in Cagnes-sur-mer. Das Mille-feuille mit den gebratenen Jakobsmuscheln ging ja noch, weil die Jakobsmuscheln tatsächlich perfekt gebraten waren; der Mille-feuille-Teig allerdings viel zu salzig, irgendein brutal dominanter Käse war auch noch dabei, und nebenan lag ein Salat, der seine beste Zeit wohl schon am Vortag gehabt hatte. Es folgte «la bourride», die kleine Schwester der Bouillabaisse: wieder zu salzig, sämtliche Fische in der gleichen Konsistenz (sprich: total verkocht), dafür hätten die Kartoffeln noch ein paar Minuten mehr Kochzeit ertragen. Die Aioli, tragender Bestandteil der Bourride, war eine simple Mayonaisse, der Knoblauch hatte wohl gerade Ferien, die Croutons waren so hart wie die Tischplatte. Welchen Wein wir tranken, wollte der Herr Kellner nicht offenbaren.



Ich darf oder muss ja oft in Frankreich essen, wohl so etwa einmal im Monat. Und das vergangene Jahr wird als jenes in meine kulinarischen Erinnerungen eingehen, in dem ich nicht eine einzige wirklich erfreuliche Mahlzeit in Frankreich zu mir nehmen durfte. In Zahlen: 0. Dazu kommt ein zumeist abgrundschlechter Service. Plus gesalzene Preise. Ach, «la grande nation», wohin soll das nur führen?

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