Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Sonntag, 26. Dezember 2010

Von Fischaugen und gefrorenem Rindfleisch




Seit ich 16 bin, führe ich Tagebuch. Und das sehr akribisch. Es gibt da auch Listen, etwa von den Büchern, die ich gelesen habe, den Filmen, die ich im Kino (und neuerdings auf DVD) gesehen habe, den Hotelzimmern, in denen ich geschlafen habe. Und natürlich auch vom Essen: Ich kann zum Beispiel noch genau sagen, was ich an meinem 20. Geburtstag genossen habe. Und was an meinem 30. Geburtstag. Ich notiere allerdings unterdessen nur noch, was mir wirklich gut geschmeckt hat. Und wo und wann ich diese ganz besonderen Gerichte gegessen habe.

Eine andere Liste ist aber auch noch ganz interessant: Meine schlechtesten Mahlzeiten. Restaurants, in denen alles wirklich nur schlecht ist, Gerichte, bei denen nun wirklich gar nichts passt, Lokale, in denen Preis und Leistung in keinem Verhältnis zueinander steht. Oder auch einfach Dinge, die so richtig übel waren - manchmal auch nur deshalb, weil mir vielleicht das Verständnis dafür fehlte, etwa für die gesottenen Gänsefüsse, die einst in einem Restaurant in Peking in meiner Suppe standen. Oder die Fischaugen, die mir ebenfalls aus einer Suppe, aber diesmal in Singapur, entgegenblinzelten. Oder die gedämpften Vogelnester in Vietnam. Oder die getrockneten, auf eine Schnur aufgezogenen Eidechseneier in Kolumbien. Oder die Ameisen in Peru, die wie gesalzene Nüsse in einem Schälchen zu den Drinks serviert wurden.

Was mich aber am meisten ärgert, das ist: Lieblosigkeit. Wenn das Carpaccio schon leicht angetrocknet ist auf dem Teller, oder die Terrine so eiskalt aus dem Kühlschrank kommt, dass sie beim besten Willen keinen Geschmack entwickeln kann. Wenn die Wienerli in der berühmten Berghütte im Berner Oberland einen zweistelligen Betrag kosten, das Brot zudem von gestern ist und die Wurst schon ein paar Stunden im schmierigen Wasser gelegen hat. Wenn die Pasta wieder in ihre Bestandteile zurückverkocht ist oder der Salat hauptsächlich aus Storzen besteht.

Den Gipfel erlebte ich aber kürzlich in einem bekannten japanischen Restaurant in Düsseldorf. Wie wir erst nachträglich herausfanden, lag die gesamte Küchenbrigade krank darnieder, doch man versuchte trotzdem, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wir hätten es schon nach den grauenhaften Vorspeisen merken müssen, dass etwas nicht stimmte, doch wir waren zu tief in ein Gespräch verstrickt, und so kamen wir in den Genuss eines Bissen tatsächlich noch tiefgefrorenen, extrem fettigen Rindfleisches in einer hochkonzentrierten Sauce, die zuerst hätte aufgekocht und verfeinert werden müssen. Die Unterhaltung brach sofort ab, und den Rest der Geschichte möchte ich Ihnen hier ersparen...

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