Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Samstag, 18. Dezember 2010

Raggle und andere fädenziehenden Käsemonster




Meine Gattin tadelt mich immer, wenn ich sage: «Raggle». «Ragglet» werde das ausgesprochen. Womit sie auch recht hat. Auch wenn wir unterdessen wissen, dass sich die Bezeichnung «Raclette» nicht schützen lässt und ich diesem Zeugs also sagen kann, wie ich will. Ich habe weder Raggle noch Ragglet noch Raclette gern, ich verweigere mich diesem fädenziehenden Käsemonster. Wie auch dem Fondue. Das ich noch grausliger finde als Raggle. Zwei Bissen in Käse getauchtes Brot, und ich habe das Gefühl, bis ans Lebensende nie wieder etwas essen zu können, auch wenn ich sofort eine ganze Flasche Kirsch austrinke (am liebsten jene traumhaften Destillate von Humbel oder Röllin). Ich verspüre körperliche Abscheu, habe den Eindruck, gleich sofort grandiose Blähungen zu kriegen wie Michel Piccoli in dieser unvergesslichen Szene in «La Grande Bouffe» (der unzensierten Version, die man leider viel zu selten zu sehen kriegt). Meine Frau liebt Raggle und Fondue, auch mitten im Sommer, und wohl deshalb weiss sie auch, wie man es ausspricht.

Meine Frau isst dafür keinen richtigen Käse. Keinen Emmentaler und keine Appenzeller und erst recht keine dieser wunderbar stinkenden Geisskäse. Ich hingegen liebe diese Käse. Einen Vacherin Mont d'Or am Frühstückstisch aus seiner Verpackung wachsen zu sehen, das ist für mich ein kleines Weltwunder. Ein richtig reifer Gruyère mit einem schönen, chüstigen Brot, das ist eine Götterspeise (Genitivus objectivus). Auch der milde Emmentaler aus meiner Dorfkäserei ist ein Traum. Wenn ich dürfte, hätte ich ständig eine kleine Sammlung der fiesesten sardischen und korsischen Schafskäse in meinem Kühlschrank, würd dran arbeiten, welcher nun noch mehr riecht nach Stall und ungewaschenen Füssen und, ach, lassen wir das. Ich darf ja eh nicht. Meine Frau verbietet mir ja schon den Vacherin, weil sie eines schönen Sonntagmorgens, einst, noch im Bett lag und sich auf das von mir zubereitete Morgenessen (nein, nicht Frühstück, wie uns das schon Dürrenmatt in «Romulus der Grosse» erklärt hat) freute und dann anscheinend ob der Duftwolke meines Käse-Wunders, dem ich fasziniert wie ein kleiner Bub beim Wachsen zuschaute, in eine kurze Ohnmacht fiel.

Noch schlimmer traf es den römischen Kaiser Antonius Pius. Es heisst, er habe sich an Schweizer Alpkäse - «caseus helveticus», wahrscheinlich Sbrinz, aber wer weiss das nach all den Jahren schon noch genau? - zu Tode gefressen. Womit der Kreis zu «la grande bouffe», korsischen Schafskäsen und meiner Abneigung gegen Raggle wieder geschlossen wäre.

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