Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Alles probieren



Der König unter den professionellen Fressern, der Amerikaner Jeffrey Steingarten, der in der amerikanischen «Vogue» jeden Monat eine wunderbare Kolumne schreibt, hat vor einigen Jahren ein ausgezeichnetes Buch verfasst, «The Man who ate everything» (auch auf Deutsch erhältlich, bei Zweitausendeins, «Der Mann, der alles isst»). Darin beschreibt er, wie er erst lernen musste, alles zumindest einmal zu probieren, bevor er es auf die Liste der nicht sonderlich geniessbaren Lebensmittel (ab)schreibt.

Auch ich musste jede Menge lernen, zuerst einmal, denn: Ich muss ein furchtbares Kind gewesen sein. Wie meine eigenen Kinder ass ich eigentlich nur Teigwaren. Und manchmal noch Pasta. Aber kein Gemüse, keines, keinen Fisch, nicht einmal Pommes frites. Aber dafür jede Menge Nudeln. Ich trank bis etwa 22 keinen Wein, weil ich das nur grauenhaft fand, sauer, furchtbar. Ach, wie haben sich die Zeiten doch geändert…

Denn irgendwann begann ich zu begreifen. Nicht auf einen Schlag, ich hatte keine gastronomische Offenbarung, es war mehr ein schleichender Prozess. Aber mit den Jahren mundete mir immer mehr, plötzlich schmeckte mir Fisch, und ich versuchte Muscheln, und ich liebte auch die Muscheln. Ich begann, die Kartoffel zu ehren, mir gefiel noch so manches Gemüse, und dann wagte ich mich auch in die grosse, weite Welt. Da gab es dann auch mal Krokodil oder Schlange, in Peru fritierte Ameisen, in Kolumbien getrocknete Leguan-Eier, in China Dinge, von denen ich gar nicht so genau wissen wollte, was es war. Es gab grobe Herausforderungen, etwa die koreanischen Kimchi, marinierter Kohl, aber da musste ich durch. Ich ess Kimchi unterdessen freiwillig, aber meine Leibspeise wird es nicht.

Bei gewissen Dingen dauerte es lange, bis ich endlich verstand, dass es schmecken kann. Das heftigste Beispiel ist Koriander. Zwar verliebte ich mich schon früh in die thailändische Küche, doch ich reiste immer mit einem Set von Pinzetten, um auch noch den kleinsten Brösel des Wanzenkrauts aus meinem Essen entfernen zu können. Doch irgendwann, es muss ein schöner Tag gewesen sein, ging mir ein Licht auf, und seit damals liebe ich Koriander. Zum Glück, denn sonst ware mir auch die mexikanische Küche auf immer und ewig verschlossen geblieben.

Fenchel hingegen, den mag ich immer noch nicht. Ich hab ihn probiert, bedeutend öfter als mir lieb war. Und sage: Nein, den Fenchel ess ich nicht. Aber sonst eigentlich alles. Zumindest ein Ma(h)l.

1 Kommentar:

  1. gestern schrieb Andreas:

    Interessante Gerne-Esser-Karriere!

    Der Grundsatz, wenigstens ein einziges mal ernsthaft zu probieren – Sülze, geräucherten Fisch, Blutwurst, Muscheln, Schnecken, Roquefort, Pandas (http://de.wikipedia.org/wiki/Panhas) etc. – und erst dann zu entscheiden, ob man das wirklich nicht mag, war zu meinem verdammt großen Glück ein EHERNES Erziehungsprinzip meiner Eltern. Und ich bedauere immer wieder (viel zu oft) all die „Erwachsenen“, die noch heute im zarten Alter von 30+, 40+, 50+++ allen Ernstes am Tisch sitzen und mir ganz freimütig erzählen, dass sie grundsätzlich nichts zu sich nehmen, was schwimmt, Tomaten nur essen, wenn sie bis zur Unkenntlichkeit zerkocht sind und alles, was nicht völlig durchgegart ist, links liegen lassen – vielleicht, weil man so noch erahnen kann, dass Fleisch tatsächlich tierischen Ursprungs ist.

    Als ich vor 3 Wochen bei meinem neu entdeckten Metzger ein an der Luft gereiftes Rinderfilet für Weihnachten bestellte (neudeutsch heisst das jetzt ”dry aged”), wurde ich sehr fürsorglich darüber aufgeklärt, dass das dann sehr dunkel und unansehnlich ausschaue – so wie früher vor Erfindung der Vakuumtüte. Und dass sich die meisten Kunden heute davor ekeln. Wie oben schon gesagt: Erwachsene Menschen!

    Und wenn diese Zeitgenossen dann auch noch aus der Kreativ-Ökonomie kommen – also z. B. Art, Text, Beratung und gelegentlich auch Marktforschung in der Werbung und angrenzenden Berufen – dann gebe ich zu, dass mich leichte Vorurteile hinsichtlich des kreativen Anspruchs dieser Mitmenschen überkommen. Meist mit der Konsequenz, es gar nicht erst mit selbigen auszuprobieren ;-)

    AntwortenLöschen